Lyrik

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40 Artikel mit dem Schlagwort Lyrik

 

Das Buch, welches sich selber las,
war von sich selbst so fasziniert,
dass es die Buchstützen bat,
es von den anderen zu trennen.
Es brauche Ruhe, erklärte es,
und könne sich nicht mehr um das
alltägliche Geschwätz der anderen kümmern.
Die Zeit verging,
und es studierte
Vers für Vers
und
Wort für Wort
die Schwere seines Seins.
Es hatte gerade sich selbst gefunden
und wollte es froh den anderen verkünden-
da nahm der alte Mann
das Buch aus dem Regal
und
warf
es
in
den
Ofen.
Ihm war so kalt.

2000-09-03

Anmerkung
Änderung Mai 2021:
– Titel-Änderung: Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist deshalb so  schwer schwierig , weil wir mehreren Zwecken dienen.

Ich lag auf dem Sofa und trank mein Bier,
während meine Ohren düsterer Musik lauschten.
WAVE – irgendwie ein bißchen krank,
aber auch diese Musik versucht nur,
einen Sinn zu finden.
Jetzt wär’s an der Zeit,
einen alten Namen zu nennen –
einfach, weil’s gut ankommt …
es macht was her.
Meine Sinne waren entrückt
wie die beim alten Baudelaire –
passt das? Egal – wer achtet schon darauf?
Namen nennen + Bier trinken =
etwas auf dem Kasten haben …
Die Familienfotos an der Wand,
gleichgültig wie eh und je –
die Wäsche muss schließlich ICH waschen.
Da entschloss sich die Erde plötzlich,
mal aus der Rolle zu fallen.
‚Ich hab Bock auf was Neues –
let’s move to outer spaces!‘
Ich dachte: ‚Hey, cool, Baby – ich bin bereit!‘
Die Stimmung war lässig, bis sie bemerkte,
dass ihr jemand einen Strich
durch die Rechnung machen wollte.
Sie wusste es nicht besser, also schrie sie zornig:
‚Fick Dich, Sonne, Du aufgedunsene Kuh –
kannst das Alleinsein wohl nicht ertragen?
Wo bleibt meine Individualität?
Irgendwann zahl ich Dir alles heim!‘
‚Scheiße‘, ging’s mir durch’s Hirn,
‚jetzt passiert wieder nichts.‘
‚Hey, Kleine‘, altklugte ich,
‚in 5 Milliarden Jahren wird dir
die fette Kuh aber mächtig einheizen!‘
‚Ach, halt’s Maul.‘ war die Antwort.
Ich lag auf dem Sofa,
und war irgendwie deprimiert.

2000-02-18

Der Baum steht da und schweigt.

Ein Pärchen, tief verstrickt im Streit,
fast schon zu einer Trennung bereit,
bleibt stehen, mustert gedankenverloren
den Baum, der vor Jahrhunderten geboren –
entdecken – wie es der Menschen Sünde –
die Namen von Liebenden geritzt in seine Rinde.
Sie schauen sich an und sinken sodann
mit Zärtlichkeit im Herzen einander in den Arm…

Und der Baum steht da und schweigt.

Im Schatten der Äste Gestalten huschen,
im Rauschen der Blätter läßt sich vieles vertuschen.
Gemurmelte Worte – nur für jene betimmt,
die Eingeweihte im Kreise der Verschwörung sind!
Geschmiedet werden Pläne mit lodernder Glut,
werden sie doch schließlich fordern einen hohen Tribut!
Blut wird fließen, und Unschuldige sterben,
weil sie Opfer einer politischen Intrige werden…

Und der Baum steht da und schweigt.

Und wieder versammeln sich an seinem Stamm
Menschen, gefangen in seinem Bann.
Sie sind auf der Suche nach dem Sinn des Lebens,
jeder überzeugt von der Richtigkeit seines Strebens,
finden gegensätzliche Gesetzmäßigkeiten
und verzetteln sich tief in nichtige Kleinigkeiten.
Der Baum, er kennt die Wahrheiten im Leben,
er könnte ihnen den Durchblick geben…

Doch der Baum steht da und schweigt.

In der finstren Nacht ein Mann sich an ihn schmiegt,
in des Baumes Schatten er sich in Sicherheit wiegt.
Auf dem Weg führt eine Frau ihre Gedanken spazieren,
sie ahnt nicht, was gleich endgültiges wird passieren.
Der Baum spürt eine unheilschwangre Spannung –
da verläßt der Mann raubtierähnlich seine Tarnung,
vollendet sein befriedigendes Werk und kichert –
ihr Blut langsam zwischen den Wurzeln versickert…

Und der Baum steht da und schweigt.

Ich lehne mein Ohr an ihn und lausche…

1999-08-05

nachsummen der perfektion,
stets meilen von ihr entfernt,
denn ich werde erst durch die kirche geboren –
erleuchtung, als ich milch zu mir nahm.
trabanten des fürsten dieser welt,
in schlüßelpositionen geschleust,
werden die luft aus der kirche pressen –
freemasonry will do its part …
actio spes unica – einmal anders betrachtet.
ein mikroskop bringt uns in eine neue welt:
wir sind alle soziale tiere –
elektroschocks haben es offenbart.
und doch wollen wir verstehen,
wollen wir sprache sehen,
und mit unkonventioneller musik
in die wärmenden gruppennormen treiben.
aber – auch augenzeugen können sich irren …

2000-04-27

Einer kam
und nahm
was ihm schon längst gehörte
Einer kam
und deutete
was in die Wände meines Körpers
gemeißelt stand
Einer kam
und ergriff mich
griff in mich
und entriss mir mein Herz
zerriss es und las in ihm
Er sprach von
Liebe und Erfüllung
von Sex und Verdammnis
von Tod und Erlösung
von Gott und der Welt
Dann schwieg er
dann rieb er
die Hände
und forderte Lohn
Einer kam
und ging
mit einer Schüssel
voll Dreck.

2001-03-18

Anmerkung
Änderungen Mai 2021:
– Titel-Änderung: Einer kam  (Kein Herzschmerz-Gedicht) 
– Nach  Schüssel  einen Umbruch eingefügt

Der Stein der Weisen schweigt
unerreichbar fern in tiefsten Wassern
und kein bebendes Bitten,
kein sehnsüchtiges Zittern
meines kochenden Blutes
wird ihn emporschleudern,
anziehen an mich.

So sinke ich zurück in die Fluten –
und mein Auge erschaut,
mein Geist ergreift,
wohin der Strom mich treibt.

Am Ende trifft mich Staunen.

2000-11-11

Nicht schäme dich / du saubere Melinde /
Daß deine zarte reinligkeit
Der feuchte mond verweist in eine binde /
Und dir den bunten einfluß dräut.
Der grosse belt hegt ebb‘ und flut /
Was wunder / wenns der mensch der kleine thut.

Die röthligkeit bei deinen bunten sachen
Hat niemahls deinen schooß versehrt.
Wie muscheln sich durch purpur theuer machen /
So macht dein schnecken-blut dich werth.
Wer liebt ein dinten-meer wohl nicht /
Weil man daraus corallen-zincken bricht?

Nur einmahl bringt das gantze jahr uns nelcken /
Dein blumen-busch bringts monatlich /
Dein rosen-strauch mag nicht verwelcken /
Sein dorn der hält bey dir nicht stich /
Denn was die sanfften blätter macht /
Das ist ein thau von der johannis-nacht.

Kanst du gleich nicht die lenden hurtig rühren /
Lobt man dich doch im stille stehn /
Der augenblau wird leichtlich sich verlieren /
Denn wirst du seyn noch eins so schön.
Man sammlet / spricht die gantze welt /
Viel besser frucht / wenn starcke blüte fällt.

Laß mich darum doch keine fasten halten /
Ein könig nimmt den schranck zwar ein /
Doch muß er fort / wann sich die wasser spalten /
Der geist muß ausgestossen seyn.
Man geht / wie iedermann bekandt /
Durchs rothe meer in das gelobte land.

Johann von Besser – 1654-1729

Wundersame Germaine
reißt ihre Augen aus
öffnet ihren Busen
reißt ihren Busen aus
und öffnet ihre Augen

Oh wundersame Germaine
was wirst du finden?

2002-11-16

Ich kann dich
nicht sehen –
ich komme auch
nicht wieder,
da du nie meine
Hand gehalten hast,
wenn wir schweigend
Butter auf die
Brote schmierten.

Es gibt einen Ort,
an den die merkwürdigen
Menschen gehen –
dort werde ich anklopfen
und sehen,
ob sie mir neuen
Saft in die Adern
pressen können –
oh Glückseligkeit!

Bis es soweit ist,
bleibe ich auf der
Bettkante sitzen
und erwarte
die Ankunft
des Heute.

2001

„Atempause gibt es nicht. Auf der Straße, die jeder liebt und jeder hasst, ist Stillstand Alltag und dennoch herrscht Stroboskop-Show-Emsigkeit. In 20 Jahren möchte ich lieber als Asche im Magen eines Fisches durch die Meere ziehen — oder wenigstens durch den Darmtrakt eines Wurms die Erde befruchten —, als weiterhin in dieser Daseinsform auf der Straße den Veits zu tanzen. Aber wie gesagt, erst in 20 Jahren — damit ich dann noch ein selbstgefälliges Lächeln aufsetzen kann mit den Worten: „Seht ihr, ich hab’s ja gleich gesagt — es wird so kommen!“ (Weltpolitisch-tiefenphilosophisch-extremtheologisch und so, wie es da steht, zu verstehen.) Und dann folgt die Selbstauflösung.“

2001-10-02