Poesie

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40 Artikel mit dem Schlagwort Poesie

 

Er kotzt.
Ein Hund –
denkt sie
Ein Hund
und gar
nicht artig
Nimmt Zeitung
sie und
krallt ins
Haar die
kalte Hand
zieht nieder
Kopf von
kotzend Tier
die Nase
rein ins
fleischig Nasse
tiefer tunken
und von
hinten klatscht
die Zeitung

böses Tier

2002

Die Zeiger des Gehirns rücken vor,
unaufhaltsam auf Mitterleben zu.
Die Schönheiten des Erwachens längst vergessen,
fürchten wir uns vor den Schwarzgestalten in uns,
errichten pathetisch ein Rosenkreuz,
uns zu erhängen und zu erdolchen.
Schlagen in uns weiße Seiten auf
und schreiben unser eigenes Totenbuch.
Stolz wie ein Gott uns selbst verherrlichend
erschaffen wir emsig eine modrige Gruft.
Wann kommt das Schiff
der Erlösung?

1999-08-03

Wenn ihr erwacht
dann der eine mehr
als der andere
und was der eine
als leichte Zwischentöne vernimmt
ist für den anderen ein lauer Sommerwind
Sie lacht dir
ihr Elend ins Gesicht
und du kochst ihr Götterspeise –
grün, weil Hoffnung doch
am besten schmeckt
Was am Abend bleibt
ist eine Note aus Hohn
und Unverständigung
die euch umschlingt
wie ein reines A –
unzertrennlich

2002-05-18

Schreibe mir doch
Gedanken auf den Tisch
dann zeichne ein Quadrat herum
und sage:
„So einfach ist das.“

Dann schreibe ich dir
Quadrate auf den Tisch
und zeichne Gedanken drum herum
und sage:
„Es ist alles so kompliziert.“

2000-09-03

Komm, ich will mich ausziehn!
Das Licht ist schon fort, und ich bin
meiner Kleider so müde.
Zieh mich aus, damit sie glauben
ich sei gestorben, denn nackt
schlaf ich die ganze Nacht,
während sie meinen Schlaf bewachen.
Denn morgen früh, ganz früh,
will ich mein Nackt ausziehen
und in einen Fluß gehn und mich baden,
während Kleid mit Kleide sie
für immer dann verwahren.
Komm, Tod, ich bin ein Kind
und will ausgezogen werden,
denn das Licht ist schon fort und ich
bin meiner Kleider so müde.

Manuel Altolaguirre

Du bist so laut –
alles an Dir schreit!
Hörst Du nicht auch
wie unaufhörlich Deine
Synapsen zischen
Nervenbahnen brummen
Adern quietschen
Säfte blubbern
Organe glucksen
Muskelfasern schnarren
Knochen knarzen
Augäpfel schmatzen
Nägel knacken?
Vielleicht bist du mir
deshalb so unsympathisch.

2001

Du kommst zurück zum Garten, unter meine Feige,
und deine Seele schwirrt im hohen
Gerüst der Blumen, so wie eine Biene,
die Wachs einsammelt für die Engelskerzen.
Du kommst zurück, da wo sich die Verliebten sehn,
zum Flüstern an den Fenstergittern.

Das Düster meines Blicks wird sich erheitern,
und deine Braut wird mit den Bienen streiten,
ob ihnen oder ihr dein Blut gehört.
Dein Herz jedoch, den Samt, der schon verknittert,
ruf mit der Habgier meiner Liebe ich
zu einem Feld von schaumigen Mandelblüten.

Beim Mandelbaum mit seinen Flügelseelen
aus Rosen wie von Rahm wart ich auf dich,
wir haben von so viel zu reden,
mein Freund, mein einziger! Du und ich!

Miguel Hernández

Dein Geist ist schillernd
als bewege er sich zwischen
Tausenden von Fischen,
auf deren Haut das Sonnenlicht sich spiegelt –
ich tauche hinab (so blau…)
ich folge dir (so hell…)
fasziniert von deiner Eleganz –
plötzlich finde ich mich neben dir
plötzlich finde ich mich
plötzlich finde
ich dich –
licht…
ich sterbe,
um mit dir neu zu erwachen

1999-10-26

Die Menschheit auf ihrer kleinen Kugel
geht schlafen, erhebt sich und arbeitet
und manchmal wünscht sie sich Gefährten auf dem Mars

Die Marsmenschen auf ihrer kleinen Kugel
was tun sie? ich weiß nicht
(ob sie schlafafen, rebeben und rabeiten?)
aber manchmal wünschen sie sich Gefährten auf der Erde
das steht völlig außer Zweifel

Die allgemeine Gravitation
das ist die Kraft der sich anziehenden Einsamkeiten

Das Weltall ist gekrümmt
darum streben alle zueinander

Das Weltall dehnt sich rasend schnell aus
darum sind wir alle ruhelos

In der Einsamkeit von zwei Milliarden Lichtjahren
mußte ich unversehends niesen

Tanika Shuntaro